Was erwartet Sie beim Tag der Architektur?
Dieses Jahr durfte ich die Architektenkammer Sachsen beim Tag der Architektur als Fotograf unterstützen. Die Veranstaltungsreihe gibt es bereits seit 1993 und seit 2001 findet der Tag der Architektur jährlich bundesweit am letzten Juniwochenende statt. Allen Neulingen dieses Formates möchte ich hier zeigen, was Sie im kommenden Jahr erwarten kann. Für die Kammer habe ich vier Führungen dokumentiert: die Festung und die Heliumhalle in Dresden, den Hauptbahnhof in Chemnitz und das Schlossplatzquartier in Freiberg.
Festung Dresden
Los ging es am Samstag um 09:00 mit einer Führung von Alexander Krippstädt aus dem Architekturbüro Raum und Bau und Kai-Uwe Beger vom Staatsbetrieb für Immobilien und Baumanagement durch die Festung Dresden. Von den Brühlschen Terrassen aus empfängt den Besucher hier ein ca. 5qm großer Gitterwürfel der den uneinnehmbaren Festungscharakter haptisch und visuell sehr gut aufnimmt. In zwei Lagen aus einem massiven Metalllkern umhüllt von einer starken Gitterwand schützt das Portal den Zugang zur unterirdischen Festung. Durch die verspiegelten Fahrstuhltüren schreiten wir in ein Stück Dresdner Geschichte und fahren hinab in die Katakomben der Altstadt.
Herr Krippstädt hatte mit seinem Team zwei große Herausforderungen bei der Konzeption des Museums in der Festung. Zum Einen sollte der Bau die denkmalgeschützten Gemäuer so wenig wie möglich beschädigen. Deshalb wurden bei den Technikinstallationen alle Leitungen auf den Wänden verlegt und nur in den Fugen befestigt. Zum Anderen wird die Festung regelmäßig überflutet, wenn die Elbe über ihre Ufer tritt. Die Laufstege können mit der kurzzeitigen Überflutung umgehen und die Elektronik kann mit geringem Aufwand abmontiert und nach der Flut wieder installiert werden.
Das gesamte Jahr über herrscht ein feuchtes, kaltes Klima in den Räumen, was sowohl den verbauten Materialien als auch den Mitarbeitern der Festung Xperience einiges abverlangt. Auch hier haben sich die Kollegen von Raum und Bau einiges einfallen lassen. Die Empfangskabine für die Mitarbeiter hat ihr eigenes Belüftungssystem. Auch die Beamer für die Multimedia-Präsentationen stecken in Ausgleichsbehältern, die sie vor den widrigen Umständen schützen. Im Rahmen der Führung konnten wir nicht nur die normalen Besucherwege durchschreiten sondern auch einen Blick hinter die Kulissen in die verzweigten Nebengänge der Festung werfen. Die Führung war sowohl für kulturgeschichtlich Interessierte, als auch für architekturaffine Besucher sehr lohnenswert.
Heliumhalle Dresden
In der zweiten Führung gingen wir durch die im Bau befindliche Heliumhalle der TU Dresden. Lars-Olaf Schmidt und Eckhard Helfrich von DD1 Architekten führten durch das besondere Forschungsgebäude. Hier wird ein Haus um einen riesigen Heliumballon herum gebaut, der in der Mitte des zweigeschossigen Baus seinen Platz finden wird. Neben jeder Menge Forschungsequipment befinden sich im Obergeschoss noch vier Arbeitsplätze für das Forschungsteam. Herausfordernd war es für das Team von DD1 auf dem kleinen Grundstück ein Haus zu errichten, dass in seinem Inneren genügend Platz für den Heliumballon bereitstellt und sich gleichzeitig an die Bestandsgebäude anfügt.
Bei der Erschließung des Grundstückes galt es das Labyrinth aus Gasleitungen zu beachten, dass sich durch den Universitätskomplex zieht. Das Helium in dem Haus dient hier nicht nur zur Forschung. Der Neubau ist auch die zentrale Verteilstelle für Helium durch den gesamten Campus. Die Gebäude sind mittels eines 100 Jahre alten Leitungssystems verbunden.
Die Heliumhalle ist ein Teilprojekt der Gesamtsanierung des Mollier-Baus in der Fakultät für Maschinenwesen.
Auf eigene Faust
Mit den offiziellen Führungen hörte der Samstag jedoch noch nicht auf. In Dresden gibt es architektonisch viel zu entdecken. Direkt neben der Heliumhalle auf dem Geländer der TU Dresden errichteten Knerer + Lang Architekten 2011 das Zentrum für Energietechnik. Die Heliumhalle soll mit ihrer zukünftig gelöcherten Fassade eine optische Brücke zum ZET aufbauen.
Gegenüber der Brühlschen Terrassen entkernt Nieto Sobejano gerade das Archiv der Avantgarden am Fuße der Augustusbrücke. In die denkmalgeschütze Fassade wird ein schwebender Betonwürfel eingesetzt. Es wird also nicht langweilig in der Elbestadt.
Hauptbahnhof Chemnitz
Am Sonntag begann um 10:00 die Führung durch den Hauptbahnhof Chemnitz. Das Team des Verkehrsverbundes Mittelsachsen nahm uns mit in die mehrfach preisgekrönte Fassade des Chemnitzer Hauptbahnhofes. Der Anbau unter Federführung von Grüntuch Ernst Architekten ermöglicht es dem Personennahverkehr bis in das Bahnhofsgebäude hineinzufahren. Das ist für die Fahrgäste ein einmaliger Service in Deutschland.
Da das alte Stahltragwerk der Bahnhofshalle schon an seinen statischen Belastungsgrenzen projektiert wurde, musste die neue Fassade als eigenständiges Element an den Bahnhof angebaut werden. Im Rahmen des Anbaus wurden die bestehenden Stützen mit einer Betonummantellung verstärkt. So konnte jede zweite Stütze entfernt werden um die Einfahrt der Straßenbahnen zu gewährleisten. Das alte Tragwerk wird durch die neue Fassade vor den starken Windkräften geschützt, was seine Lebenszeit um mehrere Jahrzehnte verlängern wird.
Die neue Fassade besteht aus etwa 100 mattierten pneumatischen Kissenelementen mit Maßen von bis zu 3,5x27m. Abends werden diese Kissen mit einem hinterspannten Netz aus LEDs beleuchtet. Die Innenseite der Hallenfassade ist mit einem teflonbeschichteten Glasfasergewebe bespannt, welches viel Tageslicht in die Bahnhofshalle strahlen lässt.
Im Rahmen des Tages der Architektur fand auch die erste Führung auf das Dach des Hauptbahnhofes statt. Solche einzigartigen Möglichkeiten machen dieses Event besonders spannend. Der Umbau des Hauptbahnhofes Chemnitz ist Teil des Chemnitzer Modells zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Sachsen.
Schlossplatzquartier Freiberg
Gleich im Anschluss an die Führung in Chemnitz kam 12:00 Thomas Obermann von BKSP Architektenaus Hannover nach Freiberg gefahren um uns das neue Schlossplatzquartier der TU Freiberg zu präsentieren. Das im März 2020 fertiggestellte Gebäude beherbergt einen Hörsaal für 270 Personen, zwei Seminarräume und ein großzügiges Foyer. Der ausdrucksstarke Bau in der Freiberger Innenstadt trägt im Volksmund schon den Spitznamen Sarkophag. Auch wenn die Hülle des neuen Hörsaalgebäudes mit seiner wunderschönen Sandsteinfassade und den klaren skulpturalen Kanten an die letzte Ruhestätte der Pharaonen erinnern kann, füllt sich das Innere des Gebäudes mit viel Leben.
Die großzügig mit Holz verkleideten Wände im Foyer, Aufgang und Hörsaal nehmen Bezug zu den alten universitären Hörsälen. Im Foyer finden wir die museal aufbereiteten Grundmauern des Dominikanerklosters St. Pauli, sowie einen Brunnen und zahlreiche Grabstätten (was wohl auch zu dem Spitznamen des Hauses geführt haben könnte).
Um den Hörsaal auch für internationale Vorlesungen zu rüsten, versteckt sich hinter seinen Wänden jede Menge Technik, sowie eine separate Übersetzerkabine. Die markante Dachkonstruktion des Schlossplatzquartiers beherbergt die umfangreiche Belüftungstechnik des Gebäudes, die elegant mit der Steinfassade umhüllt wurde.
Diese vier Projekte bieten natürlich nur einen kleinen Einblick in die über 60 Führungen und Veranstaltungen, die während des Wochenendes im Rahmen des Tages der Architektur 2020 stattfanden. So konnte zum Beispiel auch der neue Schwimmsportkomplex in Dresden aus meinem letzten Beitrag besichtigt werden.
Für mich als Architekturfotograf war es eine spannende Herausforderung innerhalb von je 90 Minuten nicht nur die Führungen zu dokumentieren, sondern auch die Bauwerke spannend festzuhalten. Das war eine interessante Abwechslung zu meinen sonst sehr geplanten Shootings.
Die Architektenkammer Sachsen präsentierte dieses Jahr eine tolle Mischung zeitgenössischer Architektur. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung der Veranstaltungsreihe im Juni 2021 und kann das Deutschlandweit stattfindende Format nur wärmstens allen Architekturbegeisterten empfehlen.